Tattoos - Körperschmuck mit Nebenwirkungen? (002)

Shownotes

Was passiert eigentlich beim Tätowieren in der Haut und im Körper? Wie kann ich Infektionen vermeiden und Risiken vorbeugen? Wieso kann es beim Tätowieren zu Allergien kommen? Welche Nebenwirkungen können sonst noch beim Stechen oder Entfernen von Tattoos auftreten? Welche Inhaltsstoffe stecken in den Farben, die beim Tätowieren verwendet werden? Und warum färben sie häufig nicht nur die Haut, sondern auch die Lymphknoten?

Gast: Dr. Ines Schreiver, Leiterin BfR-Studienzentrum „Dermatotoxikologie“

Moderation: Sonja Schäche und Stefan Römermann

Weitere Informationen:

Transkript anzeigen

: Sonja Schäche: Es ist noch gar nicht so lange her, da galten Tätowierungen noch eher als etwas Anrüchiges. Man sah sie vor allem bei Randgruppen, also bei Gefängnisinsassen, Prostituierten oder Seeleuten. Aber auch in vermeintlich besseren Kreisen hatten Tätowierungen so ihren Reiz. Dort wurden sie eher versteckt getragen. Und angeblich hatte sogar die Kaiserin Elisabeth alias Sissi eine Tätowierung, zumindest kursieren da hartnäckige Gerüchte.

00:00:39: Stefan Römermann: Tja, und heute!? Heute sagen bei Umfragen in Deutschland rund ein Viertel der Befragten: "Ich bin schon tätowiert" oder "Ich hätte gern ein Tattoo". Bei jungen Leuten zwischen 25 und 34 Jahren, da ist der Anteil sogar noch deutlich größer, da sind es 40 Prozent, die sich eine Tätowierung wünschen oder sagen, sie hätten schon ein oder mehrere Tattoos, also Grund genug, um sich mal hier ein bisschen ausführlicher zu beschäftigen mit dem Thema Tätowieren.

00:01:04: Schäche: Und damit hallo und herzlich willkommen zu Risiko, dem BfR-Podcast. Mein Name ist Sonja Schächer.

00:01:10: Römermann: Und mein Name ist Stefan Römermann. Wir beide sind Journalisten in der Pressestelle vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin.

00:01:18: Schäche: Wer uns noch nicht kennt, das Bundesinstitut für Risikobewertung ist eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung. Und wir beraten beispielsweise die Bundesregierung bei Gesetzgebungsprozessen. Inhaltlich beschäftigen wir uns mit Lebensmittelsicherheit, Sicherheit von Chemikalien und Produkten und eben auch mit der Sicherheit von Tätowiermitteln.

00:01:39: Römermann: Ja, und in dieser Podcast-Folge soll es eben gehen, um die gesundheitlichen Aspekte und um das Risiko bei Tätowierungen. Wir wollen wissen: Was steckt eigentlich drin in den Tätowierfarben? Was passiert so beim Tätowieren in der Haut und im Körper? Und wie kann ich vielleicht Infektionen vorbeugen und vermeiden und wieso kann es eigentlich beim Tätowieren zu Allergien kommen. Und was für Nebenwirkungen können vielleicht sonst noch so auftreten beim Stechen von Tattoos oder auch beim Entfernen von Tätowierungen?

00:02:09: Schäche: Das sind jetzt ganz schön viele Fragen, die unsere heutige Expertin, Frau Dr. Ines Schreiver, hoffentlich gleich beantworten kann. Frau Schreiver leitet zusammen mit einer Kollegin das Studienzentrum Dermatotoxikologie bei uns am BfR. Liebe Frau Schreiver, hallo und willkommen bei Risiko, dem BfR-Podcast.

00:02:28: Ines Schreiver: Hallo.

00:02:29: Römermann: Herzlich willkommen und jetzt noch mal ganz kurz eine Sache zur Erklärung. Das Wort Studienzentrum, da können sich ja viele Leute noch so ein bisschen was darunter vorstellen. Aber das Wort "Dermatotoxikologie" - das musste ich üben, das kannte ich selber auch noch nicht. Und ich schlussfolgere jetzt mal ganz schlau: Da steckt das Wort Dermatologie da drin. Das kennt man vom Hautarzt und Toxikologie. Es könnte bedeuten, sie beschäftigen sich irgendwie mit Haut und Giftstoffen. Passt das so ungefähr oder mit was für Themen beschäftigen sie sich dort?

00:02:57: Schreiver: Besser hätte ich es selbst nicht erklären können. Also das eine Thema, über das wir heute auch sprechen, das sind die Tätowiermittel. Aber es gibt natürlich noch andere Nebenwirkungen oder unerwünschte Erkrankungen, die mit der Haut zusammenhängen. Das sind vor allen Dingen Allergien, Kontaktallergien, die man kennt, wenn man zum Beispiel gegen Nickel allergisch ist.

00:03:15: Schäche: Dann lassen Sie uns doch mal zum Einstieg kurz einen kleinen Überblick geben. Aus gesundheitlicher Sicht, was kann bei Tätowierungen alles so falsch laufen und was können vielleicht auch für unerwünschte Nebenwirkungen auftreten?

00:03:35: Schreiver: Eine Nebenwirkung, unter der sich viele etwas vorstellen können, sind zum Beispiel Infektionen. Die treten heute auch wegen einer besseren Hygiene in den Studios nicht mehr so häufig auf.

00:03:47: Römermann: Dass sich die Wunde dann infiziert?

00:03:48: Schreiver: Genau, eine Wund-Infektion. Es kann zu Allergien kommen. Das heißt, es ist eine dauerhafte Entzündung in der Haut, da die von alleine auch meistens nicht mehr weggeht. Dann gibt es bei schwarzen Tätowierungen oft etwas, was man Granulom nennt, also Knötchenbildung in der schwarzen Farbe. Das kann auch ein Anzeichen für eine Autoimmunerkrankung sein, die sich in der Haut äußert.

00:04:13: Römermann: Da kämpft dann das eigene Immunsystem gegen den Körper, aber das äußert sich dann an dem Tattoo? Oder was ist so die Kurzfassung davon:

00:04:19: Schreiver: Genau. Autoimmunerkrankung heißt, der Körper kämpft gegen irgendetwas, was in unserem Körper selbst schon vorhanden ist. Und da dann eben gegen irgendetwas, was sich auch in der Tätowierung befindet. Diese Autoimmunerkrankung heißt Sarkoidose. Wer das hat, wird mit dem Begriff etwas anfangen können. Und meistens sind das eben Knötchen in der Lunge.

00:04:39: Römermann: Und manchmal dann aber auch auf der Haut dann in dem Fall?

00:04:42: Schreiver: In der Tätowierung.

00:04:43: Römermann: Und wie häufig kommen diese Nebenwirkungen vor? Ist das was, was relativ häufig bei Tätowierungen vorkommt, dass es überhaupt zur Nebenwirkung kommt oder ist das schon eher die absolute Ausnahme?

00:04:53: Schreiver: Das ist sehr, sehr schwierig nachzuvollziehen, weil da müsste man wissen, wie viele Tattoovierungen werden pro Tag in Deutschland gemacht und wie viele Leute davon haben dann irgendwelche Effekte. Und das kann man in Umfragen sehr, sehr schwer abbilden. Es ist eher selten. Etwas, was vielleicht häufiger vorkommt, was aber nicht so dramatisch ist, ist zum Beispiel Empfindlichkeit bei Licht, bei Sonneneinstrahlung, dass es da vielleicht zum Anschwellen kommt. Das fasst man in der Wissenschaft unter Phototoxizität zusammen. Oder manche Menschen haben Empfindlichkeit in der Tattoovierung gegen Wärme und Kälte. Sowas ist schon häufiger, aber es ist dann natürlich nicht so schwerwiegend wie jetzt eine Allergie. Die sind eher selten.

00:05:37: Römermann: Aber das ist jetzt auch nicht so, dass bei jeder dritten, vierten Tätowierung eine wirklich ernste Nebenwirkung auftritt. Das ist schon eher etwas selteneres? Oder ist das schon auch trotz allem eine relevante Größe diese Sache mit den Nebenwirkungen?

00:05:50: Schreiver: Na relevant, das ist ab dem Punkt, wo man, selbst wenn es selten ist, aber dann schwerwiegend wird. Wenn ich jetzt eine Allergie in der Tätowierung habe, die werde ich ja nicht mehr los, die kann ich nicht ausziehen.

00:06:00: Römermann: Das sprechen wir gleich nochmal. Das ist ja tatsächlich eine sehr ernste Sache, ja.

00:06:04: Schäche: Aber es gibt auch eine andere ernste Sache, und zwar Krebserkrankungen. Wie sieht es denn damit aus mit Krebserkrankungen und Tätowierungen?

00:06:10: Schreiver: In den Farben, die werden ja auch immer bei Marktüberwachungen analysiert und da tauchen schon immer wieder Analyseergebnisse auf, wo Krebs erzeugende Substanzen gefunden werden. Die will man natürlich nicht drin haben. Ob jetzt in der großen Bevölkerung tätowiert sein zu messbar erhöhten Krebserkrankungszahlen führt, das ist bis jetzt noch nicht ausreichend erforscht.

00:06:36: Römermann: Das sind auf jeden Fall eine ganze Menge Punkte, von denen wir vielleicht später gleich nochmal ein paar etwas ausführlicher besprechen wollen. Aber bevor wir jetzt den ganzen Rest der Podcast-Folge über die negativen Punkte sprechen, lassen Sie uns noch einen positiven Punkt nicht unterschlagen: Es ist ja so, dass Tätowierungen auch positive Effekte auf die Gesundheit haben können, nämlich auf die Psyche und auf das Selbstwertgefühl habe ich gelesen. Das ist jetzt nicht ganz Ihr Themengebiet, aber vielleicht können Sie ganz kurz sagen, was sind das für Effekte, die die haben?

00:07:06: Schreiver: Also es gibt Studien, die zeigen, dass Tätowierungen auch mit einem erhöhten Selbstwertgefühl oder Körpergefühl korrelieren können. Wie gesagt, das ist nicht mein Thema, aber es ist natürlich ein sehr interessanter Aspekt. Wenn man über vielleicht andere positive Aspekte reden kann, dann fällt da häufig auch die Brustwarzen-Rekonstruktion nach Brustkrebs-Operationen. Und das ist natürlich auch ein sehr wichtiger Faktor, dass da durch eine Tätowierung wieder ein realistisches Abbild entstehen kann und das auch sehr viel beiträgt, dass die Betroffenen, meistens Frauen, ihren Körper dann wieder vollständig annehmen können.

00:07:44: Römermann: Da wird dann auf eine rekonstruierte Brust eine Brustwarze und ein Warzenvorhof dann tatsächlich drauf tätowiert.

00:07:50: Schreiver: Genau, mit realistischer Tätowierung, so dass es eben wieder natürlich aussieht.

00:07:55: Schäche: Bevor wir jetzt gleich tiefer in das Thema noch einsteigen, würden wir gerne auch was anderes wissen. Und zwar heißt unser Podcast ja Risiko. Und deswegen wollen wir von unseren Gästen immer gerne nochmal hören, wie sie es denn selbst um Alltag mit dem Risiko halten. Also Frau Schreiver, wie schätzen Sie sich selbst denn so ein? Sind Sie eher ein vorsichtiger Mensch oder gehen Sie manchmal auch gerne aufs Ganze, also gehen Sie gerne bewusst Risiken ein?

00:08:30: Schreiver: Ja, ich würde sagen, teils, teils mit Augenmaß, was ich in der Freizeit sehr gerne mache, ist segeln und dann macht es natürlich auch manchmal mehr Spaß, wenn der Wind ein bisschen stärker pustet.

00:08:41: Schäche: Klar.

00:08:42: Römermann: Fällt man da dann auch tatsächlich mal ins Wasser oder ist das eher die Ausnahme? Ich bin noch nie segeln gewesen.

00:08:47: Schreiver: Ich glaube, es kommt auf die Bootgröße an. Wenn man so mit kleinen Booten - die heißen lustigerweise Optimisten - unterwegs ist, dann gehört es dazu auf größeren Booten, ist es glaube ich besser, wenn man oben bleibt.

00:08:59: Römermann: Okay, ja, klingt nach einem guten Vorsatz oben zu bleiben. In der Wissenschaft ist es ja immer mal wieder wichtig, die Begriffe zu klären, über die man spricht, die Begriffe, die man benutzt. Man macht mal im Podcast normalerweise nicht ganz so intensiv, aber wir machen es jetzt hier trotzdem mal, damit keine Missverständnisse aufkommen. Denn gerade, wenn wir über das Thema Tattoo reden, da werden ja teilweise ganz unterschiedliche Dinge zusammengefasst. Und das wollen wir jetzt hier mal ganz kurz darüber reden, worüber wir jetzt im Laufe der Folge NICHT reden wollen. Also ganz sicher reden wir bestimmt nicht über Kindertattoos. Das sind diese Dinger, die man auf die Haut macht und irgendwie rubbelt und dann bleibt es da und geht aber auch wieder weg. Damit haben Sie sich vermutlich noch nie beschäftigt in der Arbeit, oder?

00:09:40: Schreiver: Nein, nur im Privaten.

00:09:42: Schäche: Wie sieht es denn mit Henna-Tattoos aus? Ich habe gehört, die sind auch nicht so ganz ungefährlich. Was kann denn da passieren?

00:09:48: Schreiver: Ja, da würde ich erstmal abgrenzen wollen. Henna-Tattoo zu den permanenten Tätowierungen, die wir heute besprechen wollen. Henna ist quasi auch ein Farbstoff, der auf die Haut aufgetragen wird und dann zieht der Farbstoff in die obere Hautschicht ein und bleibt da ein paar Wochen, Tage.

00:10:08: Römermann: Also das wird eher so aufgemalt und nicht eingestochen.

00:10:11: Schreiver: Und das ist ein Unterschied. Henna wäre eher so was wie Kosmetikprodukt und Tätowierungen sind eben im Körper dauerhaft. Und das Problem bei Henna-Tattoos ist oft, dass da ein Farbstoff zugemischt wird, damit es eine schwarze Farbe bekommt, weil Henna ist eigentlich braun-rot. Und diese schwarze Farbe, das ist einer der stärksten Allergene, die es so gibt. Und das ist dann immer das Problem, dass da Allergien auf dieser Henna-Farbstoffe entstehen können.

00:10:41: Schäche: Und dann gibt es auch noch permanent Make-up. Was ist permanent Make-up und Unterschied zu echten Tattoos? Gibt es da vergleichbare Risiken?

00:10:48: Schreiver: Permanent Make-up, das hat sich immer so verniedlicht an, aber im Grunde genommen ist es auch nichts anderes als eine Gesichtstätowierung. Die Farben sind ähnlich, wir haben die gleichen Maschinen und Nadeln, vielleicht mit einer anderen Anzahl an Nadeln, weil man eben feiner sticht, aber im Grunde genommen unterscheidet das sich nicht von den Tattoos, die man kennt.

00:11:10: Schäche: Es wird ja auch gesagt, dass es eher in die oberen Hautschichten eingebracht wird, das permanent Make-up.

00:11:15: Römermann: Heißt das, dass es vielleicht auch weniger Risiken birgt?

00:11:18: Schreiver: Das würde ich so nicht unterschreiben. Es gibt auch Fallberichte mit Allergien auf einen roten Lipliner. Das ist natürlich sehr unschön, wenn das Ganze im Gesicht ist, ist ja dann auch sehr entstellend. Es gibt Berichte zu Granulomen in den Augenbrauen. Und das dann auch wieder zu entfernen oder wenn die Entfernung eben nicht hundertprozentig funktioniert, ist natürlich dann auch schwerwiegend. Und wie bei den richtigen Tätowierungen auch, das ist jetzt nicht, dass jeder zweite damit wahrscheinlich aus dem Kosmetikstudio geht, aber diese Risiken gibt es.

00:11:54: Römermann: Dann kommen wir jetzt tatsächlich zu den richtig echten Tattoos. Beschreiben Sie nochmal ganz kurz, was passiert da mit meiner Haut?

00:12:15: Schreiver: Ja, das ist vielleicht ganz interessant, bevor ich selbst mit dem Thema angefangen habe. Habe ich mir das eher so vorgestellt, dass man mit so einer Hohlnadel wie bei einer Kanüle oder Spritze die Farbe in die Haut einbringt, das ist aber nicht so. Es ist eher so mehrere Nähnadeln nebeneinander, kann man sich vielleicht so vorstellen. Da werden dann Löcher in die Haut mit gestanzt und da zieht die Farbe ein.

00:12:37: Schäche: Also kleine Verletzungen dann in der Haut?

00:12:39: Schreiver: Genau. Das erzeugt eine Wunde, es kommen Immunzellen in die Haut und ein Teil der Immunzellen nimmt diese Pigmentfarbpartikel eben in sich auf und speichert sie dadurch permanent in der Haut. Das ist das, was wir dann als Tattoofarbe sehen.

00:12:53: Römermann: Das heißt, ein großer Teil der Farbe bleibt dann tatsächlich eben unter der Haut festgehalten in diesen Immunzellen, haben Sie gerade gesagt.

00:13:01: Schreiver: Genau.

00:13:02: Schäche: Das klingt ja tatsächlich nicht ganz ungefährlich. Deswegen haben wir bei der Vorbereitung für diesen Podcast auch ein wenig gestaunt, dass die gesundheitlichen Auswirkungen von Tätowierungen lange Zeit ein ziemliches Randthema für die Forschung waren. Aber nicht nur für die Forschung, sondern auch für den Gesundheitsschutz. Kann man das so sagen?

00:13:19: Schreiver: Die ersten wissenschaftlichen Aufsätze zu dem Thema gibt es tatsächlich auch schon im 19. Jahrhundert. Es war natürlich ein Randthema und ich denke so Mitte der 1990er hat das stark zugenommen und jetzt ist es eine doch größere Forschungsgemeinschaft, die sich mit Tätowierungen beschäftigt. Die erste gesetzliche Regelung, die explizit zu Tätowierungen in Deutschland verabschiedet wurde, war 2009. Also doch ja vielleicht relativ spät.

00:13:48: Römermann: Seit wann beschäftigt sich denn das BfR tatsächlich intensiver mit dem Thema Tätowierungen?

00:13:53: Schreiver: Ich denke in Bezug auf Risikobewertung war das BfR auch schon lange damit beschäftigt, aber aktive Forschung hat 2012/2013 dann Fahrt aufgenommen.

00:14:04: Römermann: Und können Sie ein, zwei Beispiele nennen für Dinge, die bei uns tatsächlich erforscht worden sind am Institut dazu? Ich selbst habe in meiner Doktorarbeit unter anderem untersucht, wie sich Pigmente unter dem Einfluss von Laserbestrahlung wie bei der Laserentfernung verhalten und dann in Giftstoffe gespalten werden können. Heutzutage haben wir verschiedene Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Wir haben kürzlich erst eine Studie durchgeführt, wo tatsächlich in der Charité Menschen tätowiert wurden.

00:14:31: Römermann: Da haben Sie also in der Uniklinik ein Tattoo-Studio eingerichtet, oder wie muss ich mir das vorstellen?

00:14:34: Schreiver: Es gibt ja so ein Studienzentrum auch in der Charité, die klinische Studien durchführen und da wurde dann in einem der Untersuchungsräume eben die Tätowierung durchgeführt und wir wollten so rausfinden möglichst genau, wie viel Farbe dann überhaupt in den Körper geht. Wie viel kommt wieder raus, wie wird der Verstoffwechselt, weil das ganz wichtige Punkte sind, um später auch eine genaue Risikobewertung überhaupt durchführen zu können.

00:14:57: Römermann: Weil es immer darauf ankommt, wie viel von einem Stoff man aufnimmt, ob überhaupt tatsächlich ein Gesundheitsrisiko besteht. 

00:15:07: Schreiver: Genau. Die Exposition nennt sich das, ist immer sehr, sehr wichtig für die Risikobewertung. 

00:15:11: Römermann: Und wie viel von der Farbe, die verwendet wurde, ist tatsächlich am Ende unter der Haut gelandet? 

00:15:16: Schreiver: Bei unseren Auswertungen haben wir gesehen, dass von dem, was man eigentlich aus der Flasche rausnimmt beim Tätowieren und dem, was dann in der Haut wirklich landet, das ist ungefähr nur ein Fünftel. Und wir haben versucht, relativ große Tätowierungen stechen zu lassen von den Künstler*innen und das war ja ungefähr ein Gramm pro Tätowierung an Farbe, das dann wirklich in die Haut gelangt ist.

00:15:40: Schäche: Das klingt ja ganz schön viel. Ich hätte jetzt gesagt, und du klingt jetzt noch nicht so viel Farbe, tatsächlich. Aber vielleicht denke ich da eher an Backmischungen. Sie haben da aber auch durchaus untersucht, wie Bestandteile von den Tätowierfarben im Körper verstoffwechselt werden. Also das heißt, wie schnell der Körper das abbaut, abspaltet und vielleicht auch wieder ausscheidet dann beispielsweise über den Urin. Was haben Sie denn da Spannendes entdeckt?

00:16:04: Schreiver: Na wir haben, das muss man dazu sagen, natürlich Stoffe angeschaut, die relativ schnell wieder aus dem Körper ausgeschieden werden, um diese Studie eben auch in kurzer Zeit durchführen zu können. Also 24 Stunden nach der Tätowierung haben wir das letzte Mal Blut und Urin untersucht und da hat man eben ganz genau nachvollziehen können, dass direkt mit Start der Tätowierungen fangen wir an, die Stoffe im Blut zu finden und im Urin. Und ja, manche waren nach vier bis sechs Stunden auch schon gar nicht mehr nachweisbar und komplett ausgeschieden. 

00:16:37: Schäche: Noch mal zu den Tätowiermitteln im Körper. Was passiert dann eigentlich mit der Farbe, also mit den Pigmenten, wenn die unter die Haut kommen? 

00:16:43: Schreiver: Das haben wir jetzt auch in einer anderen Studie noch untersucht. Es wurde schon immer bei Operationen festgestellt, dass Leute, die Tätowierungen haben, dann auch gefärbte Lymphknoten haben. Wenn man vielleicht ein Herz auf dem Oberarm hat, dann wird man auch die rote Farbe in den Lymphknoten der Achseln wiederfinden. Ob das dann zu gesundheitlichen Nebenwirkungen führt, ist auch noch nicht abschließend geklärt.

00:17:12: Römermann: Lymphknoten, vielleicht ganz kurz, was machen die, wofür sind die gut?

00:17:15: Schreiver: Lymphknoten kennt man ja vielleicht selbst, wenn man erkältet ist. Hier, schön unter dem Kiefer, werden die Lymphknoten groß. Das sind einfach Zentren des Immunsystems, wo unsere Immunzellen darauf trainiert werden, gegen genau diese Krankheitserreger jetzt loszumarschieren. 

00:17:33: Römermann: Und dann denkt sich der Körper bei einer Tätowierung: Hallo!? Diese Pigmente hier, die gehören hier aber auch nicht hin!?

00:17:36: Schreiver: Ja, und andere Studien zeigen es, dass auch passiv.... Also gibt es einen Lymphstrom, es geht eine Flüssigkeit aus dem Gewebe eben in diese Lymphknoten, das auch damit ein Transport der Pigmente passieren kann. Aber es gibt auch spezielle Immunzellen, die eben entweder Krankheitserreger oder eben diese Pigmente aufnehmen können und dann damit in die Lymphknoten wandern aktiv. 

00:17:56: Schäche: Ja, allein schon die Tatsache, dass diese Farbstoffe ja wirklich im Körper wandern, das ist ja schon erstaunlich. Man denkt ja eigentlich, die sitzen jetzt hier auf der Haut, aber dass sie wirklich so tief ins Körperinnere gehen dann, also dass sie bis zu den Lymphknoten wandern. Was hat es denn jetzt für gesundheitliche Folgen? 

00:18:12: Schreiver: Ja, das ist schwierig zu sagen, es gibt sehr selten akute Effekte, wo quasi sich die Lymphflüssigkeit dann anstaut und es sehr anschwillt. Das geht aber meistens dann von alleine wieder weg. Welche Langzeitfolgen es haben kann, dass es noch nicht abschließend geklärt, ob diese Partikel in den Lymphknoten irgendwelche Langzeitfolgen haben. 

00:18:35: Schäche: Und es ist auch noch nicht geklärt, ob es für dich auch noch in irgendwelchen anderen Organen sich ablagern könnte? Das wäre auch noch eine Möglichkeit?

00:18:38: Schreiver: Klar, das wäre eine Möglichkeit, manchmal blutet es auch, wenn man tätowiert wird und dann liegt es nahe, dass vielleicht auch Farbbestandteile direkt ins Blut gelangen und dann natürlich gibt es Organe, die Blut filtern. Aber da gibt es noch keine abschließenden Ergebnisse. Es gab jetzt eine Studie. Da konnte man keine Pigmente in anderen Organen nachweisen.

00:18:59: Römermann: Wir haben ja vorhin schon mal ganz kurz über Wundinfektion als eine mögliche Komplikation von Tätowierungen gesprochen. Das war lange Zeit eine der häufigsten Probleme. Inzwischen ist das nicht mehr so ein Problem. Woran liegt das?

00:19:26: Schreiver:  Ich denke in der Art und Weise und in der Hygiene, wie so eine Tätowierung heutzutage durchgeführt wird, hat sich einiges getan. Also wenn man mal in so ein Studio geht, dann sieht es fast aus wie eine Zahnarztpraxis. Nichtsdestotrotz kann es selten sein, dass in den Farben auch schon Mikroorganismen drin sind, wo quasi eine Infektionsquelle besteht, aber auch je nachdem, wie man mit der Wunde umgeht.

00:19:49: Römermann: Also ich sage mal, durch die Behandlung im Tattoo-Studio ist es inzwischen unwahrscheinlich, dass sich da die Haut infiziert. Zumindest sehr viel unwahrscheinlicher als es vielleicht noch vor vielen Jahren waren. Aber wie ich als Tattoo-Besitzer mit meinem frischen Tattoo umgehe, das hat einen ganz großen Einfluss. Das habe ich richtig verstanden? 

00:20:07: Schreiver: Ja, also man sollte immer eine gute Wundpflege beachten. Und gerade wenn man zum Beispiel Haustiere hat, jedes Fell, jedes Lecken, ist eine große Gefahr darüber Krankheitserreger oder Kratzen kann viele Krankheitserreger in die Wunde bringen. Die Wunde kratzen, weil es juckt. Aber auch Baden. Das ist jetzt vielleicht eine sehr seltene Anekdote, aber es gab eine Person in den USA, die ist im Golf von Mexiko mit einer frischen Tätowierung Baden gegangen. Und das betrifft alle großen, offenen Wunden. Man kann sich in warmen Wasser Wundinfektionen im Meer zuziehen. Und bei der Person war das dann eben leider so, dass es durch einen septischen Schock ist, dann bis zum Tod gekommen ist. Das ist natürlich sehr, sehr selten, aber da sollte man drauf achten, mit allen frischen Wunden, nicht ins warme Wasser.

00:20:55: Römermann: Ja, also das ist nichts, was speziell Tattoos betrifft, aber man muss einfach wissen, so ein Tattoo ist erst mal eine Wunde, die Haut ist verletzt. Wie lange dauert das bis nach so einer Tätowierung, dass so pi mal Daumen verheilt ist? 

00:21:02: Schreiver: Also ich glaube ein großer Teil der Wundheilung ist sehr schnell, also dass diese Haut wieder geschlossen ist. Aber so im Grunde genommen sagt man vier bis sechs Wochen, bis die Wunde größtenteils verheilt ist.

00:21:26: Schäche: Ich würde jetzt gerne mal auf die Allergien zu sprechen kommen. Wie häufig treten Allergien gegen Tätowiermittel eigentlich auf und was für Allergien treten auf, also Allergien gegen was, besser gesagt?

00:21:37: Schreiver: Bei der Häufigkeit spalten sich wieder die Geister. Es gibt Berichte, wo man sagt unter ein Prozent der Tätowierten. Das halte ich für realistisch. In der Vergangenheit wurden Allergien am häufigsten bei roten Tätowierungen festgestellt.

00:21:49: Römermann: Bei welchen, wo größere rote Flächen sind?

00:21:54: Schreiver: Ja, man muss dazu sagen ... chemisch gesehen können viele Pigmente rot sein und dann war der erste Schritt, den wir versucht haben in der Forschung eben erstmal rauszufinden, welche Pigmente finden wir dann eigentlich in Patienten, die eine Allergie entwickeln. Aber auch in diesen Pigmenten kommen mehrere Stoffe in Frage, die eine Allergie auslösen können und das ist immer noch Stand der Forschung wirklich herauszufinden, welche Stoff löst Allergien aus, um dann sagen zu können: "Das bitte nicht mehr in die Farben!", um dann diese Reaktion hoffentlich zu verhindern.

00:22:30: Römermann: Ich weiß nicht, ob es auch rote Farben in irgendeiner Form betrifft, aber es sind ja zwischenzeitlich relativ viele Farben auch vom Markt genommen worden. Was steckte denn da eigentlich dahinter? 

00:22:40: Schreiver: Seit 2022 gibt es eine Gesetzgebung auf europäischer Ebene, die Tätowierung und permanent Make-up-Farben betrifft und da wurden auch einzelne Pigmente verboten, bei denen man vermutet, dass es zum Beispiel Allergien oder krebserregende Substanzen enthalten kann oder abspalten kann und auch noch ganz viele andere Inhaltsstoffe wurden mit dieser Gesetzgebung erfasst und deswegen wurden fast alle Farben neu gemischt von den Herstellern, sodass kurzzeitig eben viele Farben vom Markt waren, aber es gab kein generelles Verbot von bunten Farben, wie es manchmal berichtet wird. 

00:23:20: Römermann: Also das heißt, es wurden jetzt nicht irgendwie grundsätzlich farbige Tattoos verboten, weil es bei denen häufiger Probleme gibt, sondern es wurden nur bestimmte Inhaltsstoffe vom Markt genommen.

00:23:23: Schreiver: Genau.

00:23:29: Schäche: Ich glaube, Sie hatten das vorhin schon mal erwähnt, als Sie über die Allergien sprachen, die können auch nach Jahren auftreten, nachdem man das Tattoo gestochen hat. Also nicht gleich direkt im Anschluss, sondern auch nach Jahren.

00:23:38: Schreiver: Ja, das tritt tatsächlich auf. Es gibt Fallberichte, da hat eine Person rote Blumen am Bein entlang und nach mehreren Jahren wurde irgendwo noch eine andere Tätowierung mit rot gestochen, wo dann eine Allergie aufgetreten ist und dann nicht nur in dem frischen Tattoo, sondern auch in den ganzen alten. Und das ist ein Hinweis darauf, dass die zweite Tätowierung wahrscheinlich die Allergie ausgelöst hat, aber dann reagieren eben die Immunzellen im ganzen Körper. Und da vielleicht noch der Hinweis, es gibt oft diese Idee, dass man eine Test-Tätowierung macht, um zu schauen, ob man dann allergisch ist oder nicht. Und ich glaube, das Beispiel, was ich gerade gebracht habe, zeigt: Man kann sich egal, zu welchem Zeitpunkt seines Lebens noch irgendwie sensibilisieren, heißt das. Also diese Allergie entwickeln. Und deswegen ist so eine Test-Tätowierung hat eigentlich keine Aussage.

00:24:38: Schäche:  Heilbar ist es wahrscheinlich nicht, aber kann man die Symptome irgendwie mildern?

00:24:43: Schreiver: Das, was ich von Ärzten widerspiegelt bekomme ist, dass immer versucht wird, mit Medikamenten die Inflammation zu beruhigen, das aber sehr selten wirklich zum Erfolg führt. Und im Zweifel muss die Tätowierung dann entfernt werden, chirurgisch, also mit einem Skalpell ausschneiden funktioniert natürlich nur mit kleineren Tätowierungen. Es gibt noch andere Methoden, die hören sich vielleicht sehr harsch an. Aber quasi mit einer Art Messer die obere Hautschicht abnehmen, sodass die Haut geöffnet ist und der Körper eben alles ausschleusen kann, was da gerade die Reaktion verursacht. Laserentfernung wird auch häufig angewendet, da gibt es verschiedene Laser. Es gibt auch Laser, die tragen einfach die Haut ab, sogenannte CO2 Laser. Aber ansonsten besteht bei Lasern eben auch das Risiko, das war ja Teil meiner Doktorarbeit, dass sich Pigmente zersetzen durch dieses Laserlicht und diese Stoffe, die entstehen beim Lasern, können teilweise auch erst das Allergen sein. Das heißt im Zweifel würde man da vielleicht sogar mehr von diesen Stoffen, gegen die man schon reagiert produzieren und deshalb ist es umstritten, ob man das anwenden sollte oder nicht. 

00:25:53: Römermann: Was würden Sie denn sagen, sollte man dann Tattoos besser doch nicht entfernen lassen?

00:25:58: Schreiver: Ja, das ist natürlich auch eine schwierige Frage, die man vielleicht mit den behandelten Ärzten zusammen besprechen muss. Natürlich gibt es immer auch Risiken, sowohl durch den Laser als auch chemisch gesehen, was aus den Tattoofarben entstehen kann. Es gibt aber auch sehr wahrscheinlich irgendeine Art von Leidensdruck, warum man denn diese Entfernung durchführen will und wenn man dann wieder auf anschauliche Anekdoten zurückgreift, es gab eine Geschichte von einem Mann, der sich in nicht ganz nüchtern mit Zustand eine Brille ins Gesicht tätowieren lassen hat. Natürlich würde ich dann nicht von abraten, dass sich wieder entfernen zu lassen, weil da gibt es auch immer noch eine andere Seite.

00:26:36: Schäche: Ja, das waren jetzt viele spannende Punkte und wir könnten ja sicherlich noch locker zwei, drei Stunden länger über die gesundheitlichen Risiken von Tattoos sprechen, aber das würde den Rahmen unseres Podcasts auf jeden Fall sprengen. Deswegen, Frau Schreiver, lassen Sie uns das mal auf den Punkt bringen. Sollte man sich auf gar keinen Fall tätowieren lassen?

00:27:05: Schreiver: Ja, ich glaube, meine persönlicher Herangehensweise ist, dass man, wie wir es ja hier auch heute so schön gemacht haben, eine Risikoaufklärung macht, also die Risiken kommuniziert, damit die Menschen die Möglichkeit haben, mündig zu entscheiden, was man machen will oder auch nicht.

00:27:24: Schäche: Ja, da geben Sie jetzt gerade ein gutes Stichwort, hätten Sie dann vielleicht noch ein paar Tipps, wie man das eigene Risiko minimieren könnte, wenn man sich jetzt tätowieren lassen möchte? 

00:27:32: Schreiver: Natürlich, die Studios angucken, was Hygiene angeht, aber vielleicht auch das Kunsthandwerk und eben auf die Wund-Nachsorge achten und ich will immer gerne betonen mit der frischen Tätowierung bitte, bitte nicht in die Sonne gehen, solange die Wundheilung noch stattfindet in den ersten vier bis sechs Wochen. Danach auch gerne immer mit Sunblocker, denn auch Sonne kann besonders die bunten Tätowierungen auch zersetzen und das ist dann für mich als Toxikologin unschön und vielleicht für Tätowierte auch, wenn die Tätowierung dadurch eher verblasst.

00:28:12: Römermann:  Also Sonnenschutz ganz wichtig, auch wenn die Wundheilung jetzt abgeschlossen ist, auch dann darauf achten, wenn man in die Sonne geht, sagen Sie?

00:28:15: Schreiver: Ja! 

00:28:20: Schäche: Und damit geht diese Folge von Risiko, dem BfR-Podcast auch zu Ende. Unser Gast war Frau Dr. Ines Schreiver vom Studienzentrum Dermatotoxikologie bei uns am Bundesinstitut für Risikobewertung. Frau Schreiver, danke, dass Sie zu uns gekommen sind. 

00:28:34: Römermann: Ja, und wenn Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörern, wenn Ihnen dieser Podcast gefallen hat, dann abonnieren Sie doch am besten gleich unseren Kanal. Risiko gibt es so ziemlich überall dort, wo es auch Podcasts gibt, aber Sie finden alle Folgen natürlich auch direkt auf der Webseite vom BfR zum Nachhören. Und wenn Sie mögen, schicken Sie uns auch gerne eine E-Mail mit Lob, mit Kritik oder auch mit Anregungen für Podcast-Themen. Unsere E-Mail-Adresse ist podcast@bfr.bund.de. Melden Sie sich gerne, wir freuen uns auf Ihre Nachrichten. 

00:29:00: Schäche: Hier Mikrofon, verabschieden sich Sonja Schäche und Stefan Römermann. 

00:29:05: Römermann: Und wir sagen vielen Dank fürs Zuhören und Tschüss.

00:29:09: Musik]